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Moria 2020: Ein Wendepunkt ohne Kurswechsel


Kriminalisierung

Schon wenige Tage nach dem Brand und noch bevor die Feuerwehr die Untersuchung des Brandes abgeschlossen hatte, behauptete der griechische Migrationsminister gegenüber CNN, sechs junge, teilweise noch minderjährige, afghanische Bewohner des Camps hätten den Brand verursacht. Beweise dafür gab es bis auf eine einzige Zeugenaussage keine. Dennoch folgten langjährige Haftstrafen nach einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne Übersetzung der Anklageschrift und ohne Vernehmung des Hauptzeugen.

Erst im April dieses Jahres wurde der letzte der vier noch Inhaftierten freigesprochen – auch dank der Arbeit von Forensic Architecture, die über 500 Bild- und Videodateien auswerteten. Mehr als drei Jahre saßen Menschen im Gefängnis, die in Europa Schutz vor Krieg und Verfolgung suchten. Der Fall zeigt: Die Behörden hatten weder Interesse an Aufklärung noch daran, allen Menschen ihr Recht auf ein faires Verfahren zu garantieren. Sie verschleppten das Berufungsverfahren gezielt und ließen unschuldige Menschen mehr als drei Jahre lang im Gefängnis sitzen. Der Prozess macht deutlich, wie unverzichtbar zivilgesellschaftliche Organisationen sind, die Geflüchteten solidarisch zur Seite stehen.

Unterbringung

Kurz vor dem Feuer lebten zwischen 12.000 und 13.000 Menschen in dicht aneinander gedrängten Zelten im Camp. Kurz vor dem Ausbruch des Feuers gab es Proteste im Camp die sich gegen die restriktiven Corona-Maßnahmen richteten. Das Feuer, das in dieser Nacht ausbrach war das 247. Feuer seit der Errichtung des Lagers im Jahr 2013. Allein in den neun Monaten zuvor soll es zu über 100 Feuern gekommen sein.

Warum gab es so viele Brände?

Das Gelände, das für 2.840 Menschen ausgelegt war, war maßlos überfüllt. Aufgrund der fehlenden Stromversorgung saßen viele Bewohner:innen an Feuerstellen. Es gab wenige bis keine Decken oder Heizung und die wenigen verlegten Kabel bargen Risiken für Kurzschlüsse. Im Sommer wurde die Brandgefahr zudem durch trockene Böden und die hohen Temperaturen auf der Insel noch erhöht.

Lesvos, Januar 2025. Foto: Marion Bouchetel

Was hat die griechische Regierung und die EU aus Mória gelernt?

Statt sichere und menschenwürdige Unterkünfte zu schaffen, wurden auf den griechischen Inseln neue „Closed-Controlled-Access Centers“ (CCAC) errichtet – gefängnisähnliche Strukturen mit Überwachung, strengen Zugangskontrollen und Isolation fernab ziviler Infrastruktur.

Auf Lesvos wurde nach Moria zunächst das temporäre Lager Mavrovouni eingerichtet. Nun entsteht das neue Camp Vastria, das trotz richterlich angeordnetem Baustopp fast fertiggestellt ist. Es liegt in einer Hochrisiko-Brandzone, umgeben von Mauern und Stacheldraht und ist nur über einzige Straße erreichbar. Zum nächsten Krankenhaus in der Hauptstadt der Insel läuft man zu Fuß mehr als sieben Stunden. Die Lage und Struktur bedeuten massive Einschränkungen für Schutzsuchende: erschwerter Zugang zu medizinischer Versorgung, rechtlichem Beistand, Bildung und Teilhabe am sozialem Leben. Schutzsuchende werden gezielt isoliert und entrechtet.

Hinter dieser Lagerpolitik steckt eine klare Logik: Je unsichtbarer Schutzsuchende gemacht werden, desto leichter lassen sich ihre Rechte verletzen. Alle CCACs – ob auf Lesvos, Leros, Kos, Samos oder Chios – werden vollständig von der EU finanziert: 76 Millionen Euro hat allein der Bau von Vastria gekostet, 76 Millionen für Abschottung und Überwachung mitten in einer Hochrisiko Brandzone statt für Schutz und Sicherheit von Menschen auf der Flucht.

Unsere Forderungen

Die Brände in Moria vor fünf Jahren und auf Chios diesen Sommer, bei dem mehr als 600 Menschen evakuiert werden mussten, zeigen deutlich: Feuer sind keine Ausnahmen. Es ist höchste Zeit, aus Fehlern zu lernen, Warnzeichen ernst zu nehmen und sichere Orte zu schaffen – for a place that cannot burn.

Unterstütze die Petition unserer Partnerorganisation Samos Volunteers und Collective Aid gegen CCACs: 
https://www.change.org/p/eu-stop-funding-inhumanity-no-more-ccac-prison-camps