Festung Europa: Menschenrechte bleiben draußen

Heute vor 76 Jahren verkündete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Es galt, ungeheuerliche Menschheitsverbrechen, wie sie im Zweiten Weltkrieg begangen wurden, zu verurteilen und deren Wiederholung im Keim zu verhindern. Europäische Politik wähnt sich seit jeher, im Zeichen der Menschenrechte zu agieren. Ihr Anspruch ist universell. Wird er der Realität gerecht?

Was wir von den europäischen Außengrenzen berichtet bekommen, oder mit eigenen Augen auf Einsatzreisen bezeugen, hat rein gar nichts mit der Achtung der Menschenrechte zu tun. Die bittere Realität ist, dass Menschen auf der Flucht oft nicht einmal grundlegende Rechte in Anspruch nehmen können. Statt Schutz vor Krieg und Verfolgung erwarten sie Stacheldraht und Pushbacks. Für Menschen, die im Mittelmeer ertrinken oder in den Wäldern Osteuropas erfrieren, sind die Menschenrechte reine Fiktion. In der Praxis können die Menschenrechte ihrem universellen Anspruch nicht ansatzweise gerecht werden. Sie sind selektiv und an zahlreiche Bedingungen, wie den „richtigen“ Pass zu haben, geknüpft.

Spätestens heute, zum groß angekündigten Tag der Menschenrechte, sollten wir darauf aufmerksam werden, dass uns darüber hinaus ein dramatischer Abbau der Menschenrechte bevorsteht. Am 6. November setzte die Bundesregierung die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (kurz GEAS) auf nationaler Ebene um. Mit zwei Gesetzesentwürfen wurde die asylpolitisch restriktive GEAS-Reform vom 11. Juni sogar noch verschärft. Während die Möglichkeiten der Verweigerung des Rechts auf Asyl dadurch wachsen, wird die Bewegungsfreiheit Schutzsuchender drastisch reduziert. Selbst Kinder sollen künftig inhaftiert werden, wenn sie zum Beispiel aus willkürlich definierten „sicheren Herkunftsstaaten“ geflüchtet sind.

Die GEAS-Reform ist dabei nur das jüngste Beispiel für einen erschütternden Trend. Europa kehrt seinen eigenen, stolzen Prinzipien immer mehr den Rücken zu. Schutzsuchende werden zur Bedrohung stilisiert und entmenschlicht. Systematisch werden ihnen Rechte, die jedem einzelnen Menschen unbestreitbar zustehen, verweigert. Welche Bedeutung hat sie wirklich, die „europäische Wertegemeinschaft“?

Als Zivilgesellschaft, welche die Menschenrechte tatsächlich ernst nimmt, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf die unterschlagenen Menschenrechtsverletzungen der Europäischen Union hinzuweisen und mit allen Mitteln dagegenzuhalten. Lasst uns am Tag der Menschenrechte nicht vergessen, dass von universellen Menschenrechten nur die Rede sein kann, wenn alle Menschen Zugang zu ihnen haben. Asyl ist kein Privileg, das gewährt oder verweigert werden kann. Asyl ist ein grundlegendes Menschenrecht, das jedem Menschen zusteht – und die europäische Abschottung ein ganz klarer Menschenrechtsbruch.

Wir erinnern uns an Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Jeder hat das Recht, in anderen Ländern vor Verfolgung Asyl zu suchen und zu genießen“. Es wird Zeit, dass die selbsternannten Garantiemächte der Menschenrechte sich nicht länger selbst verraten und die Festung Europa fällt.

Was kannst du tun?

  • Informiere dich, schaffe Bewusstsein in deinem Umfeld, teile dein Wissen.
  • Unterstützen Organisationen, die sich für Geflüchtete einsetzen – sei es durch Spenden, ehrenamtliche Arbeit oder die Teilnahme an Protesten.
  • Schreibe Politiker:innen, sich für eine menschliche und verantwortungsvolle Asylpolitik einzutreten

Jede Stimme und jede Handlung. zählt, um Menschenrechte für alle zu wahren. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Menschenrechte nicht an Grenzen enden.