Nach ihrer Mission im August war es für Mimi etwas Besonderes, nach Kairo zurückzukehren und unsere Unterstützung für aus Gaza geflohene Familien auszubauen.
„Es war emotional, mein Wort halten zu können und noch mehr Unterstützung mitzubringen.“ Auch Lisa, die zum ersten Mal in Kairo ist, wurde mit offenen Armen empfangen. Die beiden Anpackerinnen berichten hier von ihrem Einsatz:
Diese Worte begleiteten uns, während wir Hilfsgüter einkauften und mit unserer neuen Partnerorganisation LifeBlood geflohene Familien aus Gaza besuchten.
Bei den Besprechungen, wie unsere Zusammenarbeit aussehen könnte, ging es vor allem um Werte und menschenwürdige Hilfe – wie wichtig es ist, dass niemand auf seine Not allein reduziert wird und dass Autonomie sowie Würde für die Menschen von größter Bedeutung sind.
Mohammed, einer der Koordinator:innen von LifeBlood, erläuterte: „Nach jeder Verteilung holen wir uns Feedback ein. Wir wollen wissen, was die Menschen wirklich brauchen. Nur so können wir unterstützen.“ Diese respektvolle Herangehensweise entspricht genau den Werten von Wir packen’s an.
Bei unserem Einsatz verbrachten wir viel Zeit mit den Volunteers von LifeBlood, die alle aus Gaza stammen. Sie erzählten uns ihre Geschichten – tragisch, oft kaum vorstellbar. Doch zwischendurch gab es auch Momente voller Lachen. Wir waren sogar bei einem der Volunteers zu Hause zum Essen eingeladen. Es war ein wunderbarer Abend, bis die ständige Präsenz der Handys uns in die Realität zurückholte – Nachrichten aus Gaza, von Familienmitgliedern oder Freund:innen.
Wir haben beide bereits Erfahrung mit Hilfseinsätzen für Menschen auf der Flucht. Anders als an den europäischen Außengrenzen ist die Not in Kairo weniger sichtbar. Wir sehen keine improvisierten Camps oder notdürftigen Zelte. Viele leben in Wohnungen, was auf den ersten Blick gut erscheint. Doch bei unseren Besuchen bei geflüchteten Familien wurde allerdings schnell klar, dass es an allem mangelt: Möbel, Betten, dazu rissige Wände, undichte Rohre, viele Menschen auf engstem Raum und exorbitante Mieten, weil manche Vermieter die Situation ausnutzen. Viele Familien sind nicht ausreichend ausgestattet, während der Winter naht. Die Nächte werden hier schnell sehr kalt, was die Situation nur schlimmer macht.
Um unmittelbar vor Ort zu helfen, haben wir uns entschieden, zum Winterprojekt von LifeBlood beizutragen. Wir kauften 470 warme Decken und etwa 90 Matratzen im Wert von 8.000 €, in der Hoffnung, damit ein wenig Wärme und Sicherheit in die Lebensumstände der aus Gaza geflohenen Menschen zu bringen. Die Nachricht sprach sich schnell herum, so dass sich Stunden vor der Übergabe an 200 Familien, eine Schlange von wartenden Menschen gebildet hatte. Es war bewegend zu sehen, wie wichtig selbst so einfache Dinge wie eine warme Decke sein können.
Wir wollen einige unserer Begegnungen mit Euch teilen. Besonders berührte uns ein kleines Mädchen, das uns offen anstrahlte – das erste Kind, das uns so unbeschwert anlächelte. Das wurde uns erst einige Zeit später bewusst. Wir begegneten hier vor allem Kinder, die zurückhaltend, schüchtern und ernst waren. Wir können ihr Leid nur erahnen.
Auch unser Besuch im Krankenhaus war besonders eindrücklich, vor allem die Begegnung mit Yara. Ein kleines Baby, gerade zehn Monate alt, dass sein ganzes Leben bisher nur im Krankenhaus verbracht hat. Ihre Mutter war im siebten Monat schwanger, als sie durch Schrapnell-Teile schwer verletzt wurde. Gemeinsam mit Yaras Oma schafften sie es nach Ägypten, um dort Schutz zu suchen. „Sie ist die ganze Freude meines Lebens“, sagte ihre Mutter und strahlte, während sie ihrer Tochter das kleine Samtkleidchen zurecht zog. Im tristen Krankenhauszimmer, das sie sich zu viert teilen, vertreibt sich Yaras Mutter die Zeit mit Handarbeiten. In Gaza war sie medizinische Assistentin, doch hier ist alles anders. Noch immer leidet sie unter ihren Verletzungen. Aus Perlen fertigt sie Schmuck, stickt und träumt davon, eines Tages ein kleines Geschäft aufzubauen, um ihre Familie zu versorgen. Als Mimi die kleine Yara auf dem Arm hielt, überreichte uns ihre Mutter eine selbstgemachte Kette – bunt, kunstvoll geknüpft, mit winzigen Blumen und einem Anhänger. Es war ein Moment tiefer Menschlichkeit. Wir waren gekommen, um zu helfen, doch wir gingen mit so vielem mehr.
In einem anderen Zimmer lag ein Mann, schwer verletzt, sein Zustand wirkt besorgniserregend. Sein Bruder war erst am Vortag gestorben. „Es tut uns unendlich leid“, stammelten wir. Sein Vater, der als Begleitperson mit nach Ägypten evakuiert worden war, verteilt Datteln an uns – in Gedenken an den verstorbenen Sohn. Die Geste war einfach, aber tief.
In solchen Momenten wird uns bewusst, wie wenig man eigentlich tun kann, und doch, wie viel es bedeutet, einfach da zu sein.
Besonders nahe ging uns auch die Geschichte von Fuada und ihren beiden Töchtern, die in einem alten ungenutzten Altenheim in Kairo untergekommen sind. Sie hat ihren Ehemann, die Schwiegereltern und zwei ihrer Kinder verloren. Ihre große Tochter, gerade mal neun Jahre alt, lag lange im Krankenhaus in Gaza im Koma. Die Ärzte hatten schon alle Hoffnung aufgegeben. Die Ressourcen in den Krankenhäusern von Gaza waren erschöpft, die Mittel sehr begrenzt. Die Familie bereitete sich darauf vor, ein weiteres Kind zu verlieren, als plötzlich der Onkel kleine Bewegungen im Körper des Mädchens bemerkte. Was für ein unfassbarer Schrecken und zugleich ein Wunder – wir können es uns kaum vorstellen. Jetzt leben Fuada und ihre beiden Töchter in Kairo in dem dunklen, leeren Altenheim mit kahlen Fluren, die Sorgen um die Zukunft lassen sie nicht los. „Wie soll ich mich alleine um alles kümmern? Wie kann ich meinen Mädchen die Bildung ermöglichen, die ihnen zusteht?“
Die Schilderungen der Menschen haben uns tief bewegt und sind zugleich unser Ansporn, um Unterstützung zu leisten. Damit wir auch langfristig Unterstützung leisten können, brauchen wir dich! Wir möchten künftig monatliche Essenspakte finanzieren, die um die 450 Menschen satt machen. Außerdem ist eine Mitfinanzierung des Waisen-Familien Programms unserer lokalen Partners Lifeblood geplant.
Die emotionalen Verbindungen, die wir in diesen Tagen zu allen aufgebaut haben, werden uns lange begleiten. Der Abschied fiel uns schwer, und wir wissen, dass unser Engagement hier erst der Anfang ist.
Hilfst du uns dabei? Wir sagen aus ganzem Herzen Danke.
Spenden kannst du direkt über unser Spendenformular oder via PayPal an info@wir-packens-an.info.
Hinweis: Vieles ist an der Situation in Ägypten anders als bei unseren Einsätzen an den EU-Außengrenzen. Das Kriegsgeschehen im Nachbarland ist näher und gleichzeitig ist die Not weniger sichtbar – versteckt in spärlichen Behausungen. Zudem wünschen sich die betroffenen und traumatisierten Menschen, dass ihr Leid nicht abgebildet wird. Alle bitten uns aber darum, dass wir ihre Geschichten weitererzählen.