Ankommen an der Grenze Polen-Belarus

„Bald werden wir tote Kinder im Wald finden“ …

… sagt die lokale Anwohnerin Mascha an der Sperrzone an der Grenze Polen-Belarus. Auf dem Tisch stehen dampfende, polnische Knödel, die extra für uns angerichtet wurden, als kleine Wertschätzung für unseren Hilfstransport aus Brandenburg. Eigentlich ist die Gegend wunderschön, dichter tiefer Ur-Wald, es gibt hier sogar Bisons.

Nach einer erfolgreichen Spendenaktion sind wir mit einem kleinen LKW am Vortag aufgebrochen. Dem gingen stressige Tage voraus: Kontakte aufbauen, Bedarfe abfragen, LKW organisieren, Frachtbrief besorgen und die Hilfsgüter ranschaffen. Mit der freiwilligen Fahrerin Marie bin ich auf dem Weg. Ich bin sehr froh das Marie fährt, sie ist eine erfahrene Busfahrerin, und ich kann während dessen auf meinem Smart Phone rumtippen: Medien und immer wieder wechselnde polnische Kontakte, nicht zu vergessen das Tagesgeschäft zu Hause.
Früh fahren wir zum Roten Kreuz nach Bialystok. Die kleinen aktiven Gruppen an der Grenze kooperieren mit dem Roten Kreuz.

Relativ viele Medien sind vor Ort als wir ankommen, der polnische TV Sender TV24, die Wyborcza Gazzetta und Oko.Press. Sie knipsen und fotografieren, während wir Schlafsäcke, Müsliriegel, Powerbanks, Winterklamotten in das Lager schaffen. Polen ist anders, als wir das zu Hause gewohnt sind: Die fortschrittlicheren TV-Sender sind Privatsender. Und es regiert eine rechtspopulistische Partei, die PIS – stellt euch vor die AFD würde regieren, oder lieber nicht vorstellen…. Nach ungefähr der Hälfte des entleerten Trucks sagt die nette Mitarbeiterin des Roten Kreuzes: Wir sind voll! Das ist ok, weil wir ja noch zwei andere Stationen vor uns haben.

Schließlich treffen wir zwei polnische Aktivist:innen, Marta und Isa. „Was habt ihr denn alles so mit?“ fragen sie. Ich zeige ihnen die Sachen beim Roten Kreuz, sie sind begeistert und fragen uns, ob wir Sachen wieder einladen können um sie zu ihrem Magazin an der Red Zone zu fahren. Also laden wir vieles wieder ein.
Nach einem weiteren Stopp an einem weiteren Lager, dem wiederholten ein- und ausladen, kommen wir im Wald an. Unsere Kooperationspartner:innen sind u.a. das Bündnis Grupa Granica. Ein Bündnis was sich erst in diesem Herbst gebildet hat, mit vielen kleinen heterogenen Gruppen. Marta sagt „Wir werden in der Öffentlichkeit total angefeindet. Eigentlich ist unsere Gruppe eine Kulturcombo, wir wollen andere Dinge tun. Aber irgendjemand muss sich doch um die Menschen kümmern“.

Seitdem sich Lukaschenko von Erdogan abgeschaut hat, dass sich die EU doch ganz gut unter Druck setzen lässt durch ihre Menschenverachtende Asylpoltik, gibt es ein Ping-Pong Spiel zwischen Belarus und Polen. Flüchtende werden vor und zurück geprügelt, Knochenbrüche an der Tagesordnung. Niemand weiß, wieviel Menschen sich hier aufhalten, Schätzungen gehen von 8.000-15.000 Menschen aus. Die grausamen Berichte auf beiden Seiten der Grenzen häufen sich, eine schwangere Frau soll über den Grenzzaun zurückgeworfen worden sein und hat ihr Kind dabei verloren. Schnittwunden im Gesicht, Hunde werden auf Menschen auf der Flucht gehetzt. Völkerrechtswidrige Rückführungen der polnischen Polizei sind auf mehreren Ebenen illegal. Deutsche Politiker: innen sprechen von Grenzschutz, Menschenrechte werden nur von China und Nordkorea eingefordert, aber nicht vom EU-Land Polen. Ein polnischer Aktivist sagt mir einen für uns undenkbaren Satz: „Wir wünschen uns hier Frontex, die unterliegen wenigstens noch einen Hauch von Kontrolle und Regeln“.

Zurück zu Marta und Isa, zurück in das Magazin im Wald. Lokale Menschen mit den Herz am rechten Fleck sind im Bündnis mit Aktivist:innen aus den Großstädten. Eine faszinierende Mischung. Das von ihnen zubereitete Essen ist köstlich, Marta und Isa freuen sich, dass es uns schmeckt. Ich frage die Anwohnerin Mascha, was sie motiviert sich für Menschen auf der Flucht einzusetzen? „Der Hass auf die PIS Partei“ kommt es wie aus der Pistole geschossen. Aktivist:innen und lokale Anwohnerinnen versorgen die Menschen, die es durch die Red Zone schaffen mit dem Notwendigsten um überleben zu können. Mittels Journalist: innen wird versucht ,Rückführungen nach Belarus zu dokumentieren und damit zu verhindern. Nur wie lange wird die Allianz halten? Irgendwie erinnert das an die Anti-Atomproteste im Wendland. Aber auch auf Lesbos waren die Menschen anfangs sehr willkommenheißend. Ebenso in Bosnien, irgendwann es dann gekippt. Die Herausforderung ist hier auch die Natur. Der Klimawandel verschafft den Menschen auf der Flucht einen milden Herbst. Der Urwald ist toll, nur Menschen darin zu finden und zu versorgen eine Herausforderung, die mehr an Search and Rescue im Mittelmeer erinnert.

Als wir uns verabschieden, biete ich weitere Hilfe an, falls das notwendig sein sollte. Mascha sagt „Du bringst mich zum Weinen“….da sind wir nun schon zwei.

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