„Es darf keine Unterscheidung nach Nationalität und Pass für die Betroffenen derselben Katastrophe geben. Von den zuletzt angekündigten Visaerleichterungen profitieren aktuell nur türkische Staatsbürger:innen. Syrer:innen, aber auch Menschen anderer Nationalitäten sowie Staatenlose und Geflüchtete werden außen vor gelassen. Das ist inakzeptabel", so Tareq Alaows, Flüchtlingspolitischer Sprecher von PRO ASYL. „Zudem sind die Vorgaben des Innenministeriums und des Auswärtigen Amts nicht mit der Lebensrealität vieler Erdbebenopfer vereinbar.“
Weiter bemängeln die Organisationen das zögerliche Handeln der Bundesregierung und die fehlende Unterstützung bei der Lieferung von Hilfsgütern. „Das zurückhaltende Wirken der deutschen und europäischen Regierungsinstitutionen bei der Erdbebenkatastrophe in Syrien wird die Konsequenz haben, dass vielen Menschen nichts anderes übrig bleibt, als eine Lebensperspektive woanders zu suchen. Auch hier ist Europas Antwort Abschottung. Das zielgerichtete Handeln für eine aktive humanitäre Nothilfe auf allen staatlichen Ebenen sollte gerade jetzt selbstverständlich sein“, sagt Axel Grafmanns vom Verein Wir packen`s an.
„Es wird viel behauptet, dass in der Türkei im Gegensatz zu Syrien genug geholfen wird. Das stimmt so nicht”, berichtet Hüseyin Bertinaxe, der für die Organisation LeaveNoOneBehind aktuell in Hatay, Türkei, vor Ort ist. „Es sind zwar aktuell mehr Ressourcen in der Türkei, aber trotzdem mangelt es an allem. Wir müssen dringend mehr tun. In beiden Ländern.“
Noch dramatischer zeigt sich die Situation in Syrien. Hilfsorganisationen vor Ort berichten, dass Menschen alleingelassen sind und von Hilfsmaßnahmen kaum erreicht werden. Stattdessen werden Hilfsgüter vom Assad-Regime politisch instrumentalisiert.
„Die humanitäre Notlage in Nordsyrien wurde seit Jahren von der Politik weitestgehend ignoriert und mit dem EU-Türkei-Deal sogar noch zementiert. Auch jetzt, nach der dramatischen Verschärfung durch die Erdbeben, werden die Menschen dort wieder allein gelassen: Bislang kommt vor Ort kaum Hilfe an, während die Möglichkeit, über Visavergabe und einen humanitären Korridor in Sicherheit zu kommen, politisch verweigert wird. Es braucht jetzt schnelle, flexible Lösungen auf allen Ebenen für die Menschen in Nordsyrien und kein Zwei-Klassen-System bei der Nothilfe“, fordert Svenja Borgschulte von der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution.
Betroffen macht zudem, dass gleichzeitig mit den Solidaritätsbekundungen deutscher Spitzenpolitiker:innen weiter Menschen in die Erdbebengebiete abgeschoben werden. Die Organisationen fordern daher einen bundesweiten Abschiebestopp für die entsprechenden Regionen.
Die Petition: “Erdbeben: Gleiche Unterstützung für alle Überlebenden!” finden sie unter: https://innn.it/ErdbebenGleichbehandlung